Eintracht Frankfurt III. Die 2000er Jahre

Magische Spiele der 2000er Jahre

16: Die Achterbahnfahrt. 20.05.00, 1. BL. Saison 99/00, 34. Spieltag: SGE-Ulm 2:1 

Das zweite Nicht-Abstiegswunder wurde diesmal unter Trainer Felix Magath am letzten Spieltag der Saion 1999/2000 vollzogen. Unter Trainer Jörg Berger hatte die Eintracht zum Ende der Rückrunde magere 11 Punkte, was als Tabellensiebzehnter 8 Punkte Rückstand auf den viertletzten Platz bedeutete. Mit anderen Worten: Ein weiterer Abstieg war so gut wie besiegelt. Doch in der Rückrunde wurden nach dem Trainerwechsel unter Felix Magath 28 Punkte geholt – damit war die SGE hinter dem Führungsduo, die beste Rückrundenmannschaft. Selbst zwei Punkte, die während der Saison abgezogen wurden, konnten die Eintracht nicht stoppen. Angeblich wurde gegen DFB-Auflagen verstoßen. Das Urteil des Lizenzierungsausschusses war ein absolutes Novum in der Bundesliga, denn die Punkte wurden dem abstiegsgefährdeten Verein während der laufenden Saison abgezogen. Ich war nach dieser Entscheidung des DFB stinksauer und fand wie so oft, dass die Eintracht unfair behandelt wurde. Die Eintracht stemmte sich gegen den drohenden Abstieg und es kam nach 1999 zu einem weiteren dramatischen Saisonfinale. Ich flog mit meinem Kumpel Thomas zu dem letzten, entscheidenden Spiel der Saison. Es war sein erster Flug – was man nicht alles für die Eintracht macht. Das Spiel geriet etwas zur Zitterpartie. Um 15:55 Uhr hämmerte zwar Bachirou Salou das Leder unter die Latte des Ulmer Tores, doch in der 40. Minute konnte Ulm durch Hans van der Haar zum 1:1 ausgleichen. Hätten die Ulmer noch das 2:1 erzielt, dann wäre die Eintracht abgestiegen. Doch in der letzten Minute der regulären Spielzeit wurde die Eintracht dann erlöst: Elfmeter für die SGE. Horst Heldt, der Spieler des Tages, verwandelte zum 2:1 für die Frankfurter. Die 60.000 Zuschauer im Waldstadion, soweit Eintracht-Fans, waren aus dem Häuschen. Die mitgereisten Ulmer Anhänger trauerten, denn als Tabellensechzehnter stieg man nach einem Jahr Bundesliga wieder in die 2. Liga ab. Nach dem Sieg gegen Ulm, ging es dann traditionell zur Saisonabschlussfeier nach Alt-Sachsenhausen. Die Achterbahnfahrt der Saison hatte dann doch noch ein glückliches Happy End genommen.

 

17: Die Bundesligapremiere. 28.04.01, 1. BL. Saison 00/01, 31. Spieltag: Hertha-SGE 3:0  

Nachdem ich im Main 2000 den EFC Adler Berlin aus der Taufe hob, hatten wir knapp ein Jahr später unser erstes großes Event mit dem Fanclub. Dirk Heinen, der damals eine überragende Saison als Torwart spielte, wählten wir zu unserem ersten „Spieler des Jahres“. Da wir zu dieser Zeit einer der wenigen Fanclubs außerhalb von Hessen waren und der einzige eingetragene Fanclub in Berlin hat wir bei der Eintracht einen besonderen Status. Die Eintracht erlaubte und, den Spieler des Jahres im Spielerhotel zu ehren. Der bereits verstorbene Sportkommentator Günter Petzer Plock leitete damals die Presseabteilung und lud uns zu Kaffee und Kuchen ein. Weniger Meter von uns speisten die Eintracht-Spieler mit Trainer Friedel Rausch. Es dauerte nicht lange, dann mussten die Spieler Autogramme schreiben. In der heutigen Zeit wäre es undenkbar, dass die Fans zusammen mit den Spielern im Spielerhotel Kaffee und Kuchen essen. Am nächsten Tag war ich mit meinen EFC Freunden Torsten, Lutz, Sören, Jörg, Paule uvm. im Stadion. Die Eintracht spielte eine Grottensaison und ging gegen die Hertha mit 3:0 unter. Auf jeden Fall kann man nicht sagen, dass wir den EFC als Erfolgsfans gegründet hatten – am Ende der Saison stiegen wir sogar noch ab Der Eintracht-Auswärtsblock war an diesem Samstagnachmittag wie immer voll. Es war die Zeit von Doppelhaltern und Rauch, die Ultras machten ordentlich Stimmung. Jeremaine Jones kam in dem Spiel zu seinem ersten Bundesligaeinsatz. Es gibt bestimmt schönere Spiele, um seine Bundesligapremiere zu feiern…

 

18: Abschied tut weh. 17.03.01, 1. BL. Saison 00/01, 26. Spieltag: SGE-HSV 1:1  

Was für ein tolles Bild: Überall im Waldstadion Banner und norwegische Fahnen. Am 26. Spieltag der Saison 2000/02 hieß es Abschied nehmen von Jan-Aarge Fjörtoft, der an diesem 17. März 2001 seine Bundesliga-Karriere beendete und zu Stabaek IF wechselte. Die Fans bereiteten, im mit 33.000 Zuschauern gefüllten Waldstadion, an diesem Samstagnachmittag Fjörtoft einen unvergessenen Choreo-Abschied bei seinem letzten Spiel im Dress der Adlerträger. Doch es sollte 65 Minuten dauern, bis Fjörtoft endlich von Interimstrainer Rolf Dohmen eingewechselt wurde. Bis dahin plätscherte das Spiel auf Seiten der Frankfurter vor sich hin. Die agileren Hamburger erzielten neun Minuten nach Wiederanpfiff durch Niko Kovac, unseren späteren Erfolgscoach, das 0:1. Doch in seinem letzten Spiel für die Eintracht, konnte Fjörtoft noch einmal einen wichtigen Akzent setzen. Der damals 34-Jährige riss die Frankfurter aus ihrer Lethargie und leitete in der 77. Minute mit einem feinen Hackentrick, das 1:1 durch Thomas Sobotzik ein. Es war eines der wenigen Highlights in der trostlosen Abstiegssaison der Eintracht. Das 1:1 wurde nach dem Spielende fast wie ein Sieg gefeiert. Doch noch mehr gefeiert wurde Jan-Aarge Fjörtoft, der tränenreich die stehenden Ovationen der Fans beklatschte. Interimstrainer Dohmen. Fjörtoft war innerhalb kürzester Zeit zum Kultspieler bei den Eintrachtfans avanciert. Sein vor dem Abstieg rettendes Übersteigertor 1999, beim 5:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern, machte ihn unvergesslich. Er war einer der letzten echten „Typen“ in der Bundesliga, der intelligent-verschmitzt immer einen lockeren Spruch auf Lager hatte und mit seiner Lockerheit das oftmals in sich erstarrte Profifußballgeschehen karikierte. Die Dankbarkeit der Fans war so groß, dass einige Monate später ein großer Trupp Eintrachtfans, mit organisatorischer Hilfe der im Dezember 2000 gegründeten Fan- und Förderabteilung „FuFA“, auf der legendären „Oslo-Tour“ Fjörtoft in Norwegen besuchte. Jan-Aarge war von dieser Geste mehr als gerührt. Und genau dieses menschliche bei ihm, hatte ihn in seiner Zeit bei der Eintracht so beliebt bei den Anhängern gemacht. Er stand und steht für das große Eintracht-Gefühl, das einem immer wieder bewusst macht, was der Verein für eine tolle Gemeinschaft bildet.

 

19: Nicht mal geschenkt. 12.05.01, 1. BL. Saison 00/01, 33. Spieltag: Wolfsburg-SGE 3:0

Beim Profifußball gibt es ein stetiges Geben und Nehmen der Spieler und der Fans. Meistens hat man das Gefühl, dass die Fans mehr geben als die Spieler. Das ist auch kein Wunder, denn während die Fußballprofis in der Regel nicht bei ihrem Lieblingsverein spielen, sondern als berufstätige Kicker öfters den Verein, bzw. Arbeitgeber wechseln – also nicht immer treu sind, können Fans nicht so einfach ihren Verein wechseln. Echte Fans wechseln, wenn sie sich einmal für ihren Lieblingsverein entschieden haben, eigentlich ihr ganzes Leben nicht den Verein. Und so geben die Fans ALLES für ihren Verein. Selbst bei Niederlagenserien oder Abstiegen ist die Hingabe und Geduld der treuen Anhänger schier unendlich. Es muss schon viel zusammenkommen, wenn Fans richtig wütend werden und ihre Schals und Fahnen verbrennen, sarkastisch-hämische Lieder auf ihren Lieblingsverein anstimmen, oder geschenkte Trikots der Spieler zurück aufs Spielfeld werfen. Letzteres habe ich mit meinen EFC-Kumpels beim Auswärtsspiel in Wolfsburg erlebt, als die Eintracht am 12. Mai 2001 mit einer deutlichen Niederlage am 33. Spieltag ihren 2. Abstieg aus der Bundesliga besiegelte. Für den Sieg reichte den Wolfsburgern gegen lustlos agierende Frankfurter eine Durchschnittsleistung. Nach einer halben Stunde stand es bereits 3:0. Die abstiegsbedrohten Adlerträger spielten lethargisch, entwickelten keinerlei Zweikampfwillen oder läuferisches Engagement. Während die Fans in den ersten 30 Minuten wild entschlossen ihre Mannschaft anfeuerten und sich mit aller Kraft gegen den Abstieg stemmten, antworteten die Spieler unter Trainer Friedel Rausch mit strikter Arbeitsverweigerung. Das „Alles- oder nichts-Spiel“ beim Tabellenzehnten Wolfsburg wurde zur willenlosen Farce einer Mannschaft, die es nicht würdig war das Trikot der Eintracht zu tragen. Und so kam es, wie es kommen musste: Christoph Preuß, Rolf-Christel Guié-Mien und Jermaine Jones gingen nach dem Spiel verschämt in die Eintracht-Kurve, in der die enttäuschten Fans wild gestikulierend wüste Beschimpfungen und gellende Pfiffe in Richtung Mannschaft abfeuerten. Hilflos warf nach Spielschluss Guié-Mien – vielleicht als Trost – sein Trikot über den Zaun zu den Fans und bekam dieses Geschenk postwendend zurückgeworfen. Guié-Mien trottete daraufhin ratlos mit seinem verschmähten Trikot wieder zurück zu seinen Mannschaftskollegen. Mit dieser zornigen Geste der Fans war nicht nur Guié-Mien, sondern die ganze, willenlos in die 2. Liga spazierende Mannschaft gemeint. Mit einer Mischung aus Wut, Trauer und Scham konnten die Fans den Spielern in dieser Situation ihren ganzen Unmut zeigen. Die denkwürdige Aktion wurde als sinnbildliche Szene für die maßlos enttäuschten Fußballfans noch des Öfteren im Fernsehen gezeigt und in vielen weiteren Medienberichten kommentiert. Auch auf der Heimfahrt von diesem sinnlosen Auswärtsspiel gab es für mich und meine Kumpels kein anderes Thema mehr. Die ganze Enttäuschung der Fans fixierte sich auf diese emotionale Reaktion nach Ende des Spiels. Es war nur ein zurückgeworfenes Fußballtrikot, aber die Bildsprache war überwältigend. Nicht immer gibt es für die Fußballfans ein Ventil, um ihren Unmut auszudrücken wie bei dieser denkwürdigen Szene in Wolfsburg. Bei späteren Abstiegen sah ich vermummte „Fußballfans“ nach Spielende auf den Rasen stürmen, die dann von gepanzerten Polizisten mit Pfefferspray zurück in den Block getrieben wurden. Diese gewalttätigen Szenen waren eher verstörend und sinnlos und haben außer Gewalt am Ende nichts in Richtung Mannschaft oder Verein transportiert.

 

20: Charlys Nummer. 13.10.01, 2. BL. Saison 01/02, 9. Spieltag: Union Berlin-SGE 0:4 

Ich fand Berlin immer cool – nur die Hertha nicht. Ich konnte nicht verstehen, wie das der Hauptstadtclub sein sollte. Naja, immerhin gab es aber ja noch Union Berlin, die auf jeden Fall sensationelle Fans haben. Auf das Spiel gegen die Köpenicker hatten die in Berlin lebenden Eintracht-Fans sehnsüchtig gewartet. Insbesondere mein Eintracht-Fanclub, der EFC Adler Berlin, war mehr als heiß auf das Spiel. Mit dem Gegner, Union Berlin, verband uns ein freundschaftliches Verhältnis. Ausgestattet mit Eintracht-Trikots nahmen wir wenige Tage zuvor mit unserer eigenen Freizeitfußballmannschaft beim Kleinfeld-Fanclubturnier des 1. FC Union Berlin teil. Die Unioner hatten kein Problem damit, dass wir bei diesem Turnier teilnahmen und verhielten sich äußerst fair und respektvoll zu uns Eintracht-Fußballfans im Berliner Exil. Und nun kam an diesem Oktoberwochenende unser absolutes Highlight: Die Zweitligapartie gegen Union Berlin. Bereits bei der Ankunft der Eintracht-Mannschaft am Flughafen in Tegel wurde die Mannschaft von uns mit Gesängen und einem Empfangs-Banner empfangen. Danach fuhren wir ins Spielerhotel nach Köpenick. Hier fand dann die Ehrung unseres gewählten Spieler des Jahres 2001 Christoph Preuß statt. Der derzeitige Eintracht-Manager Tony Woodcock versprach uns an diesem Abend, dass die Eintracht gewinnen wird. Und so sollte es auch kommen. Das Spiel am nächsten Tag in der Alten Försterei war nicht zu übertreffen: Schönstes Wetter, voller Block mit einem atemberaubenden Support der SGE-Fans, ein toller Sieg und staunende Union-Fans. Nach dem Spiel hatten wir ein weiteres Highlight geplant: Die EFC Adler Berlin Ehrenmitgliedschaft für Charly Körbel. Wir leiteten Charly vorher meine Handy-Nummer weiter, damit er mit uns die genaue Ankunftszeit in unserer Location mitteilen konnte. Und tatsächlich klingelte dann Charly auf meinem Handy durch. Ich war perplex. Eine Eintracht-Legende rief mich an. Charlys Handy-Nummer war dann die nächsten Jahre in meinem Handy eingespeichert, auch wenn es danach kein Telefongespräch mehr gab. Aber ich war mächtig stolz, dass Charly in meiner Telefonliste stand. Neben seiner Ehrenmitgliedschaft bekam Charly von uns noch ein mit EFC Adler Berlin geflocktes Eintracht-Trikot geschenkt. Ich möchte wetten, er hat es noch.

 

21: Überflüssiges Hannover. 13.04.02, 2. BL. Saison 01/02, 31. Spieltag: H96-SGE 1:2   

Es gibt Spiele, die braucht kein Mensch. Skandalspiele zum Beispiel. Das Zweitligaspiel Hannover 96 gegen die SGE am 31. Spieltag gehört sicherlich zu dieser Kategorie. Die Eintracht dümpelte im Niemandsland der Tabelle, während Hannover unter Trainer Ralf Rangnick schon vor dem Spiel als Aufsteiger feststand. Schon vor dem Spiel war die Stimmung aufgeheizt. Die Eintrachtfans hatten sich zu dieser Zeit durch einige Ausschreitungen und regelmäßigen Einsatz von Pyro und Rauch, den Ruf als Randalefans erarbeitet. Hat man einen solchen Ruf, so zieht man damit Chaoten aus ganz Deutschland an, die eigentlich keine Fans des Vereins sind, sondern das Erlebnis einer Ausschreitung suchen. Und so sammelte sich schon vor dem Einlass ein wilder Haufen mit schwarzen Klamotten und grimmigen Gesichtern vor dem Stadion. Gesichter, die ich sonst nicht bei Eintrachtspielen gesehen habe. Auf der anderen Seite die Einsatzkräfte der Polizei, die an diesem Nachmittag offensichtlich hart durchgreifen wollten. Und so gab es ein wildes Geschrei und Chaoten und nicht-Chaoten, die wahllos von den Einsatzkräften an die Wand gestellt wurden. Im Auswärtsblock wurde es nicht besser. Neben Pyro und Rauchbomben wurde auch Leuchtspurmunition in Richtung der Hannover-Zuschauern abgefeuert. Und nun kam es wie es kommen sollte, eine Hundertschaft gepanzerter Polizisten zog in den Eintrachtblock ein und schwang wild mit ihren Knüppeln. Das Spiel wurde zur Nebensache, denn nun hieß es sich in Sicherheit zu bringen. An diesem Tag wurde von Eintrachtfans der wenig kreative Schlachtruf „Schei** Hannover geboren“, der die nächsten Jahre bei Spielen gegen die 96er wutentbrannt ausgerufen wurde. Das Spiel gewann die Eintracht übrigens mit 2:1. Sasa Ciric und Alex Schur besorgten die Treffer für die SGE. Aber wie gesagt, dass war nur Nebensache bei diesem überflüssigen Samstagsspiel vor etwa 25.000 Zuschauern im Niedersachsenstadion…

 

22: Der G-Block. 05.05.02, 2. BL. Saison 01/02, 34. Spieltag: SGE-Babelsberg  1:1  

Der G-Block war das traditionelle zu Hause der Eintrachtfans im Waldstadion. Hier stand der harte Kern der Eintracht und feuerte die Mannschaft an. Wer als Eintracht-Fan was auf sich hielt, der hatte in den achtziger Jahren auf seiner Jeans-Weste – der „Fan-Kutte“ – einen Aufnäher vom G-Block aufgebügelt.  Am letzten Spieltag der Zweitligasaison 2001/02 schlug die letzte Stunde des G-Blocks, denn danach kam die Abrissbirne, um eine WM taugliches, modernes Stadion zu bauen. Schon einige Zeit zuvor sammelten sich die 1997 gegründeten Ultras auf der Gegengerade. Der G-Block war damit nur noch ein Treffpunkt von „Altfans“ und vielen Jugendlichen Eintrachtanhängern, die sich noch nicht so recht zu den Ultras auf der Gegengerade trauten. Das Saisonfinale verfolgten gerade einmal 8.500 Zuschauer im Waldstadion. Kein Wunder, denn die Eintracht spielte eine grottige Saison in der zweiten Liga und landete am Ende auf dem 7. Tabellenplatz. Es war ein äußerst schwaches Zweitligaspiel, gegen den Absteiger Babelsberg. Nach dem überraschenden Auswärtstreffer des Babelsberger Kampf in der 25. Spielminute glich Chen Yang sieben Minuten später zum 1:1 aus. In der Halbzeit zogen die Ultras noch einmal von der Gegentribüne in den legendären G-Block. Hier begann auch für einige Ultras das Fanleben und mit einer Portion Wehmut und einigen Bengalos wurde der Abschied gefeiert. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Stadionbesuchen, als ich in den achtziger und Anfang der neunziger Jahre fasziniert auf den G-Block starrte und das das wilde Treiben der Fans beobachtete. Besonders gefiel mir immer der Konfettiregen, den es beim Einlaufen der Mannschaft gab. Auch wurden in dieser Zeit schon viele Fahnen geschwenkt und die meisten Fans im Block trugen kein cooles schwarz, sondern hatten ein Eintracht-Trikot und einen Fanschal an, so dass der ganze Block, schwarz-weiß-rot leuchtete. Es gab zwar schon so etwas wie Vorsänger, aber stimmungsmäßig war es allerdings nicht mit dem Dauersupport der Ultras zu vergleichen. Man verfolgte gespannt das Spiel und es gab eher so etwas von aahs und oohs, wenn eine gute Aktion auf dem Spielfeld lief. Natürlich gab es auch schon einige Eintrachtlieder und zwischendurch wurde die Eintracht immer wieder durch ein lang gezogenes Eiiiinnntracht, Eiiiiintracht, Eiiiintracht und durch eine „Erbarme zu spät – die Hesse komme“ angefeuert. Auch Spieler wurden öfters angefeuert, z. B. Willi Neuberger mit einem langgezogenen Wiiiilliiiiii und "Dr. Hammer" Bernd Nickel mit „Lustich, lustich, trallalala, heut iss die Eintracht mit dem Hammer wieder da“. Sehr präsent waren in dieser Zeit auch Stadionhupen. Nach der Wende kamen dann noch besondere Stadionhupen aus dem Osten hinzu. Es gab schon in der damaligen DDR einige Eintracht-Fans und nach dem Mauerfall besuchten viele Anhänger ihre Eintracht im Stadion.  Ich finde es irgendwie schade, dass die Fans jetzt in der Nordwestkurve stehen und es im neuen Stadion keinen G-Block mehr gibt. Auf jeden Fall werden bei den meisten Fans bis heute einige Erinnerungen wach, wenn mal wieder einer was von der guten alten Zeit im G-Block erzählt.

 

23: Die Stadionhupe. 25.05.03, 2. BL. Saison 02/03, 34. Spieltag: SGE-Reutlingen 6:3 

An anderer Stelle habe ich geschrieben, das 5:1 gegen Lautern 1999 war das beste Spiel, das ich je gesehen habe. Das stimmt nicht ganz, denn mit dem Herzschlagfinale der Eintracht gegen Reutlingen gab es ein Spiel, das in fast allen Belangen ebenbürtig war. Alleine schon die Konstellation des Spielplans war bemerkenswert: Der viertplatzierte Mainz trat gegen den 15. Braunschweig an und die Eintracht, der Tabellendritte, gegen den sechzehnten Reutlingen. Bis dahin hatten Mainz und die Eintracht ein Kopf an Kopf-Rennen um den Aufstieg in die 1. Liga geliefert. Für mich war es die spannendste Saison, die mit diesem Wahnsinnspiel gekrönt wurde. Meine Kumpels aus Brandenburg und ich hatten für diesen Fußballnachmittag eines der wegen des Stadionumbaus nur 25.500 zur Verfügung stehenden Tickets ergattert. Ich erlebte dann im Stadion das wohl verrückteste Saisonfinale, das es je gab. Reutlingen schaffte nach Führung der Eintracht zwischenzeitlich das 3:3. Die Mainzer führten unter Trainer Klopp eine viertel Stunde vor Schluss, durch vier Tore von Benjamin Auer, 4:0 in Braunschweig. Der Eintracht fehlten plötzlich vier Tore zum Aufstieg. Ein unmögliches Unterfangen. Entsprechend war in diesen Minuten, als die Fans im Stadion realisierten, dass wohl der Aufstieg futsch war, eine tiefe Resignation zu spüren. Kein Laut war mehr zu hören. Es waren gespenstische Minuten wie in einer irrrealen Zwischenwelt. Wie nach einem heftigen Crash, wenn danach plötzlich alles Still ist und man fassungslos auf die Schäden schaut. Es waren unendliche, unerträgliche Minuten. Auch die Spieler auf dem Platz müssen zu diesem Zeitpunkt realisiert haben, dass die Mainzer deutlich in Führung lagen und der Aufstieg wohl passé war. Hilflos schoben sich die Eintracht-Spieler den Ball hin und her, so als wolle man nur noch auf den Abpfiff warten und dann heulend in die Kabine gehen. Ich stand im Eintracht-Fanblock hinter dem Tor des Reutlinger Keepers und beobachte ungläubig das Geschehen. Irgendeiner im Block hatte eine Stadiontröte dabei und so als wollten sich die Fans, trotz eines vergeigten Aufstiegs, für die packende Saison bedanken, gab es nach zwei, drei Hupsignalen aus der heute kaum noch in Fanblocks zu findenden Druckluftfanfare so etwas wie sanftes Klatschen im Block. Dann gab es im Block eine frohe Kunde aus Braunschweig: Thiam verkürzte in der 80. Minute zum 1:4. Früher hatten ein paar Fans, statt dem heutigen Handy, noch kleine Transistorradios mit im Block und lauschten bei solchen entscheidenden Spielen die Spielergebnisse auf den anderen Plätzen. Es ging nun so etwas wie „Auf geht´s Eintracht!“ durch den Block und nur drei Minuten später erzielte der von Trainer Reimann eingewechselte Diakité das 4:3 für die Eintracht. Nun fehlten, wenn es bei dem Spielstand in Mainz so bleiben würde, der Eintracht noch zwei Tore. Die Anfeuerungsrufe der Eintracht-Fans wurden immer lauter. Man spürte wie die Energie auf das Spielfeld ausstrahlte. Nun wurde wieder um jeden Ball gekämpft. Die Hoffnung war wieder da. Und Diakité, den man für die kommende Saison keinen neuen Vertrag anbot, hatte noch mehr auf Lager und machte tatsächlich in der 90. Minute noch das 5:3. Jetzt war die Spannung nicht mehr auszuhalten. Was für ein Finale. Sollte es das Ende sein und die Eintracht wegen eines fehlenden Tores nicht aufsteigen? Es war nichts für schwache Nerven. In der Nachspielzeit gab es noch eine letzte Ecke für die Eintracht. Eine letzte Chance. Und tatsächlich: Das Frankfurter Urgestein Alex Schur wuchtete den Ball zum 6:3 ins Tor! Was für eine Exstase, was für ein unglaublicher Jubel im Stadion. Jetzt brachen alle Dämme. Nach dem anschließenden Schlusspfiff gab es noch wenige bange Momente, bis wirklich die Bestätigung vom Stadionsprecher kam, dass Mainz kein weiterer Treffer gelang und die Eintracht tatsächlich aufgestiegen war. Ich weinte hemmungslos vor Glück. Was für ein Tag. Heute wurden wieder einmal Helden bei der Eintracht geboren. Nach dem Saisonfinale von 1999 dachte ich nicht, dass ich noch einmal so ein besonderes Spiel live im Stadion sehen würde. Doch dieser 25. Mai 2003 ging als das dramatisches Aufstiegsfinale aller Zeiten, in die lange Geschichte der Eintracht ein.

 

24: Zurück zum Start. 16.12.03, 1. BL. Saison 03/04, 17. Spieltag: SGE-HSV 2:3    

Eine Niederlage nach der anderen - es war eine Saison zum Vergessen. Auch an diesem Dienstagabendspiel lag die Eintracht nach den Treffern von Beinlich (17.) und dem damals noch beim HSV spielenden Takahara (52.) mit 0:2 in Rückstand. Skela (53.) und Beierle (66.) schafften dann zwar noch das 2:2, doch fünf Minuten vor Schluss erzielte Barbarez mit einem Kopfball das 2:3. In der 88. Minute vergeigte Skela dann sogar noch einen Strafstoß für die Eintracht. Die 21.000 Zuschauer im winterlich kalten Waldstadion gingen nach diesem enttäuschenden Abend frustriert nach Hause. Frankfurt lag unter Trainer Willi Reimann, nach diesem letzten Hinrundenspiel mit gerade mal 12 Punkten auf dem 18. Tabellenplatz. Am Ende der Saison wurde dann sogar noch der Abstieg beim Rückrundenspiel in Hamburg besiegelt.

Zu dieser Zeit wohnte ich in Sachsenhausen direkt gegenüber von Frau Rauscher in der Klappergasse. Hört sich verrückt an, war es auch. Es war nach meiner Rückkehr aus Berlin meine erste Wohnung in Frankfurt am Main. Unter Zeitdruck suchend fand ich nichts besseres und vor allem günstigeres wie dieses Einzimmerapartement im Herzen von Alt-Sachsenhausen. War es in der Woche manchmal wie ausgestorben, so war es am Wochenende dafür umso lauter: Bis tief in die Nacht gab es ein andauerndes Geschrei, Gelächter und Getöse das vom Vordach eingefangen, direkt in meine Dachgeschosswohnung dröhnte. Aber es hatte auch einen Vorteil: Nach dem Stadionbesuch konnte ich direkt vor der Tür mit den anderen Eintracht-Fans feiern gehen. Nach dem Spiel zog es mich besonders in die Bembelbar, die zu dieser Zeit bei Olli in der Klapper 33 stattfand. Die Macher und DJ´s der Bembelbar Holger, Tom & Co. verwandelten in dieser Zeit die Klapper 33 in der gleichnamigen Klappergasse zum einzigartigen Eintrachtfeier-Hot-Spot. Selbst nach diesem enttäuschenden Spiel war die Bembelbar, mitten in der Woche, bestens gefüllt. Ich kannte fast alle Gesichter in der Kneipe und mit einigen verband sich in der Zeit eine tolle Freundschaft. Das Erstaunliche an der Bembelbar war, dass selbst nach unglücklichen Niederlagen in grauenhaften Abstiegszeiten wie diesen, am Ende trotzdem immer lautstark gefeiert wurde und ein Eintracht-Lied nach dem anderen von dem schwarz-weiß-roten Stammpublikum geschmettert wurde. Auch an diesem Abend wurde der Eintracht-Frust mit Äppler runtergespült und es entwickelte sich ein legendärer Bembelbar-Abend. Irgendwann gegen Mitternacht ging eine lautstark singende Polonäse der Eintracht-Fans von der Kneipe bis über die Klappergasse und wieder zurück. Ja, an diesem Abend war auch ich besonders laut. Sonst wurde ich immer aus dem Schlaf gerissen, aber heute wird zurückgezahlt. Das Ganze hatte allerdings einen Haken: Am nächsten Morgen musste ich nach Darmstadt zur Arbeit fahren. Mit wenig Schlaf stieg ich wie immer am Lokalbahnhof in die S-Bahn. Wem wundert es, ich nickte in der Bahn ein und als ich aufwachte war ich wieder zurück an meinem Startpunkt  am Lokalbahnhof. Ich muss einmal nach Darmstadt und zurück gefahren sein, ohne es gemerkt zu haben. Ich stieg schnell am Lokalbahnhof aus und fuhr dann, aber diesmal hellwach, wieder mit der nächsten Bahn Richtung Darmstadt.

Mein perfekt für Eintrachtfans gelegenes Apartement in der Klappergasse sprach sich übrigens schnell herum. Einmal errichtete ich spontan ein von der Küchenzeile bis zum Bad reichendes Schlaflager für meine Eintracht-Freunde aus Brandenburg, die zum Spiel schauen und Feiern nach Frankfurt kamen, aber kein Hotelzimmer gebucht hatten. Diese Bude hat viel erlebt. Aber den meisten Spaß machte der Blick aus dem Wohnhaus nach draußen, wenn meistens an Sonntagen arglose Touristen am Frau Rauscher-Brunnen vorbeigingen und dann unfreiwillig nass gespritzt wurden.   

 

25: Was denkt er wohl gerade? 20.03.04, 1. BL. Saison 03/04, 25. Spieltag: BVB-SGE 2:0  

Die Eintracht steckte im März 2004 tief im Abstiegskampf und so war es auch keine Überraschung, dass die SGE nach 23 Minuten mit 1:0 beim BVB im Rückstand lag. Die Eintracht spielte wie ein Hühnerhaufen, eigentlich lief alles auf einen Kantersieg für die Dortmund hin. Es lief überhaupt nicht gut: Henning Bürger im Eintracht-Dress, leistete sich innerhalb von einer Minute zwei Fouls und musste in der 39. Minute mit Gelb-Rot vom Platz. Die Nerven lagen blank. Reimann reklamierte heftig und wurde auf die Tribüne geschickt. Das Spiel endete schließlich mit 2:0 für die Gelb-Schwarzen. Später hieß es, es gab sogar eine Handgreiflichkeit von Trainer Willi Reimann gegen den Vierten Offiziellen Thorsten Schriever. Trainer Reimann wurde auf jeden Fall zu einer Sperre von fünf Spielen und einer Geldstrafe verdonnert. Die nächsten Heimspiele der Eintracht betrachtete sich Reimann aus einem Baucontainer, der einsam auf der Haupttribüne stand. Das Waldstadion wurde gerade im laufenden Bundesligabetreib für die WM 2006 komplett neu gebaut und es war teilweise eine triste Baustellenatmosphäre im Stadion. Wegen des skurillen Anblicks des Trainers im Baucontainer hieß Reimann bei den Fans und in den Medien nun „Container-Willi“. Während der Heimspiele blickte ich oft hinüber zur Haupttribüne und dachte mir, was denkt er sich wohl gerade? Manchmal sah man nicht mehr wie einen Schatten hinter der Glasscheibe des Containerfensters. Reimann, der aufgrund seiner norddeutschen Art oftmals etwas spröde wirkte, erarbeitete sich nach und nach den Ruf eines etwas störrischen, sturen Eigenbrötlers. 2002 kam er, als der Verein weder Lizenz noch Geld hatte. Er schaffte es die Eintracht mit dem legendären 6:3 am letzten Spieltag 2003, zurück in die erste Bundesliga zu führen. Doch jetzt am Ende der Saison 2003/04 schien alles wieder den Bach herunter zu gehen. Alle Zeichen deuteten auf den erneuten Gang in die 2. Liga hin. Und tatsächlich: Am letzten Spieltag in Hamburg besiegelte die SGE seinen dritten Abstieg. Reimann fuhr nach dem Spiel erst gar nicht im Mannschaftsbus mit zurück nach Frankfurt. Zwei Tage später wurde er von Bruchmann, der sich nach meiner Beobachtung bis dahin immer wieder vor seinem Trainer stellte, gefeuert. Reimann hatte also nach seiner Zeit im Container einen denkbar schlechten Abgang gemacht. Ich glaube beim Spiel gegen Dortmund hatte sich einfach der Frust über die miserable Leistung der Mannschaft entladen. Ich hatte auf jeden Fall damals fast schon etwas Mitleid mit Reimann. Von einigen Trainern hat man nicht mehr viele Erinnerungen. Reimann war als Trainer und Container-Willi auf jeden Fall ein unvergessenes Unikat.

 

26: Die Kelle. 03.04.04, 1. BL. Saison 03/04, 27. Spieltag: Köln-SGE 2:0

Es gibt die Dinge, die macht man einmal im Leben. Bei mir gehört das Fahren in einem Fanzug dazu. Ein Fanzug ist ja eigentlich eine gute Idee, doch leider bereiten alkoholisierte Fußballfans im Zug in der Regel Probleme: Verstopfte Toiletten, überflüssige Notbremsungen mit Standzeiten in der Prärie und Vandalismus im Zug – das braucht kein Mensch. Ich fuhr 2004 zum Spiel nach Köln mit einem Fanzug und habe es bitter bereut. Kurz vor Köln schmiss ein „Fan“, bei der Durchfahrt durch einen Bahnhof, eine Flasche auf den Bahnsteig. Zum Glück wurde bei dieser Idiotenaktion niemand verletzt. Bei der Fahrkartenkontrolle wurde dem Schaffner die Kelle aus der Hosentasche geklaut. Bahnmitarbeiter möchte man im Fanzug auch nicht sein. Nach der Ankunft im Kölner Hauptbahnhof wurde das obligatorische „Hurra, Hurra die Frankfurter sind da geschrien“. Doch einige sturzbetrunkene „Fans“ gingen anschließend in der Innenstadt auf friedlich demonstrierende Gewerkschaftler los. Man muss schon sehr besoffen sein, wenn man Gewerkschaftsfahnen mit Fahnen des 1. FC Köln verwechselt. Also wie gesagt, dieses Fanerlebnis Fanzug mit allen seinen Begleiterscheinungen brauche ich nicht. Die Rückfahrt konnte ich mir zum Glück sparen – ein mir bekannter Eintracht-Fan nahm mich in seinem Auto nach Frankfurt mit. Das Spiel hätte ich mir im Übrigen auch schenken können: Die Eintracht verlor mit 2:0 in Köln. Hertzsch und Podolski erzielten die Tore für die Geißböcke. Die chancenlose SGE u.a. mit Bindewald, Preuß, Schur und Skela, rutschte nach der deprimierenden Niederlage auf einem Abstiegsplatz ab.

 

27: Gute Party, schlechte Party. 22.05.05, 2. BL. Saison 04/05, 34. Spieltag: SGE-Burghausen 3:0 

Die Zweitligasaison 2004/05 war für mich eine runde Sache, mit vielen Höhepunkten. Ich schloss mich dem EFC Schobberobber an und verbrachte mit den feierstabilen Jungs eine gute Zeit auf der Gegentribüne, denn ich hatte jetzt eine Dauerkarte. Außerdem war ich Stammgast bei Holger und Tom in der Bembelbar in der Klapper 33. Da ich auch in der Klappergasse brauchte ich nur ein paar Meter zu gehen, um den legendären Eintracht-Feiertempel zu besuchen. Beim letzten Hinrundenspiel gab es am 10. Dezember 2004 eine Auswärtsbembelbar in Burghausen. Mit der Fan- und Förderabteilung schloss ich mich dem Partysupport an und erlebte ein geniales Wochenende in Bayern. Gefeiert wurde nach dem 3:0 Auswärtssieg im traditionellen Saal des Gasthofs Wieninger Bräu. Es war eine ausgelassene Party, bei der auch einige Burghausen-Fans mitfeierten und viele Freundschaften entstanden. Während die Anreise mit dem Zug stattfand, landete ich auf der frühmorgendlichen Rückfahrt in irgendeinem Fanbus, ich glaube von der Geiselgangster Crew. Ich hatte einen dicken Kopf vom Äppelwoi und im Bus lief über die Bordlautsprecheer lautstark eine Folge der Augsburger Puppenkiste, die meine Kopfschmerzen auf eine neue Ebene brachte. Egal, es war ein unvergessenes Erlebnis. Burghausen machte auch am letzten Spieltag eine große Freude, denn bei dem Sonntagskick unter Friedhelm Funkel am 22.05.05 stiegen wir mit dem 3:0 gegen Burghausen wieder in die 1. Liga auf. Was danach abging war weniger erfreulich: Ein Jahr vor der WM probte die Polizei wohl ihre Einsatzbereitschaft bei Fußballfans. Es kam bei den friedlich feiernden Eintrachtfans zu einem völlig überzogenen Polizeieinsatz im Stadion und später in Alt-Sachsenhausen. Die Klappergasse wurde von zwei Seiten abgesperrt. Ich schlich mich durch den Irish Pub über den Neuen Wall zur Klappergasse. Die Bembelbar war wegen den Polizeieinsätzen nur eingeschränkt und mussten die Aufstiegsfeier nachfeiern. Mit meinen Berliner Eintrachtkumpels ging ich dann zum Lieblingsitaliener in der Nähe des Partystadels Oberbayern. Doch auch hier kamen irgendwann Polizisten rein und drohten bedrohlich mit ihren Gummiknüppeln. Wir aßen unbeeindruckt, wie die anderen Gäste, friedlich unsere Pizza weiter. Die Aufstiegslaune ging an diesem Abend gründlich in den Keller…

 

28: Der Vorführeffekt. 22.10.05, 1. BL. Saison 05/06, 10. Spieltag: SGE-1.FC Köln 6:3 

Die Eintracht im Torrausch ist ein eher seltenes Ereignis. Innerhalb von wenigen Tage zweimal mit sechs Treffern ein Spiel zu gewinnen – das schaffte die Eintracht in der Saison 2005/06. Den 6:3-Sieg gegen Köln erlebte ich zusammen mit einem guten Kumpel im Stadion. Es war sein erster Stadionbesuch und er sollte Glück für die SGE bringen. Vor dem Spiel war ich angespannt und dachte, hoffentlich gibt es kein Kackspiel, hoffentlich enttäuscht mich die Eintracht heute nicht. Aber dann war es ein berauschendes Stadionereignis unter ständigem Dauerjubel. Kaum saß man, sprang man für ein Tor auf. Beim sechsten Treffer der Eintracht war dann der Jubel zugegebenermaßen nicht mehr so groß, man hatte fast schon Mitleid mit dem Gegner. Meine Kumpel dachte wahrscheinlich, dass ist immer so mit der Eintracht im Stadion, aber der Vorführeffekt im positiven Sinne war an diesem Tag wirklich einzigartig. Ein ähnlicher Dauerjubel war dann beim DFB-Pokalspiel gegen Schalke, als diese mit 6:0 im Waldstadion von der Eintracht abgefertigt wurde. Schalke hieß für die Eintracht-Fans fortan in dieser Saison nur noch Schalke 06. Egal, welches der beiden Spiele man sich angeschaut hat – danach konnte man, wenn man es noch nicht war, nur Eintracht-Fan sein. Wie oft sind schon Menschen ohne besondere Mannschaftsvorlieben ins Stadion gegangen und hatten nach einem besonderen Spiel dann einen Lieblingsverein? Der erste Stadionbesuch ist immer prägend. Egal ob man Ehefrau, Kind oder Freunde zum ersten Stadionbesuch ins Waldstadion begleitet: Es ist immer spannend, ob die Eintracht dann am Ende wirklich der Lieblingsverein wird.

 

29: Hardrockstadion. 29.04.2006, DFB-Pokalendspiel: SGE-Bayern 0:1

Es war eigentlich daaas Spiel der letzten Jahre für unseren Berliner Eintracht Fanclub: Die Eintracht erreichte das Endspiel im DFB-Pokal in Berlin. Doch die Vorfreude legte sich schnell, denn im Endspiel warteten die übermächtigen Bayern. Wir schickten, unter Trainer Friedhelm Funkel, Ochs, Rehmer und Huggel ins Rennen – und die Bayern spielten unter Trainer Felix Magath mit Kahn, Lahm und Ballack. Sicherlich, auch ein Außenseiter kann mal gewinnen, aber der Klassenunterschied war einfach in dieser Zeit zu groß. Es kam dann auch so, wie es kommen musste. In einer langweiligen Partie erzielte Claudio Pizarro in der 57. Minute das 1:0 für die Bayern.

Dieses Spiel habe ich fast vollständig aus meinem Gedächtnis gelöscht. Das Finale in Berlin bleibt lediglich durch den Live-Auftritt von Tankard vor Spielbeginn mit ihrem sensationellen Lied „Schwarz weiß wie Schnee“ in Erinnerung. Die Stimmung war bei diesem besonderen Live-Act auf dem Siedepunkt und mit meinen Berliner Eintracht-Kumpels feierten wir in der Eintracht-Kurve. Nach dem Spiel war die Stimmung dann allerdings weg: Es war einfach deprimierend zu sehen, wie schwach aufspielende Bayern die 90 Minuten abspulten und fast emotionslos ihren nächsten Titel einheimsten. Wir fuhren nach dem Spiel zum Kudamm und landeten dann in einem Pub im Europa-Center. Der Ort passte: Unsere Party war auch im Eimer. Manchmal kann man sich auch ein Endspiel komplett sparen. Alleine der ganze Aufriss für dieses Spiel eine Karte zu ergattern, hätte man sich schenken können. Auf der anderen Seite: Hätte die Eintracht an diesem Abend gewonnen, dann wäre an diesem Abend wohl Helden geboren worden. Dann wäre die anschließende Party gigantisch gewesen und man hätte sich geärgert, wenn man nicht Live im Stadion dabei gewesen wäre.

 

30: Hey Eintracht Frankfurt

28.09.06, Uefa-Cup 1. Runde (Rückspiel): Bröndby IF – SGE 2:2  

Die Eintracht im Uefa-Cup: Welch ein Freude! Nach dem 4:0-Erfolg im Hinspiel erreichte Eintracht Frankfurt im Rückspiel gegen den dänischen Vizemeister Bröndby IF vor 14.000 Zuschauern ein 2:2. Damit hatten sich die Hessen für die Gruppenphase im UEFA-Cup qualifiziert. Aleksandar Vasoski (6., 52.) brachte die Eintracht mit seinem ersten Doppelpack für das Team von Friedhelm Funkel zweimal in Führung. Gespielt wurde im Bröndby Park. Bröndby Park – da war doch was? Ja, 16 Jahre zuvor erlebten die Frankfurter, mit einer 0:5 Niederlage in der ersten Runde gegen den Kopenhagener Vorortverein, eine ihrer schwärzesten Stunden im Europacup. Doch diesmal gab es einiges für die etwa 2.500 mitgereisten Eintracht-Fans zu feiern. Und gefeiert wurde anständig: Im Internet kursierten später spektakuläre Aufnahmen von der Tribüne, die von den hüpfenden Eintracht-Fans ins Schwingen gebracht wurde. Mit dem abgewandelten Pippi Langstrumpf-Song „Hey Eintracht Frankfurt“ bewegte sich die Tribüne auf und ab. Immer wieder zoomte die Kamera auf die Tribünenstützen, die sich rhythmisch zum Takt des Eintracht-Songs bewegten. Beim Anblick der Bilder wurde einem aber auch etwas bange, ob die Tribüne diese Schwingungen aushält. Zum Glück ist alles gut gegangen und die Eintracht-Fans beeindruckten nicht nur die Heimfans von Bröndby, sondern tausende Fußballfans auf der ganzen Welt, die sich sprachlos das Video anschauten. An diesem Tag wurde auch eine riesige Welle für den weiteren Auswärtssupport der Eintracht losgetreten. Jeder wollte nun, ob mit oder ohne Karte, unbedingt die Eintracht bei den Europapokalfahrten begleiten. Egal was das Los sagte: Es setzte sich zu jedem Ziel eine schwarz-weiß-rote Massenkarawane in Bewegung.

 

31: Der Gänsehautmoment. 19.12.06, 2006/07 DFB-Pokal 3. Runde: SGE-Köln 3:1 n.V.

Manchmal gibt es beim Fußball echte Gänsehautmomente. Jermaine Jones, ein Frankfurter Bub, ein Kämpfer, einer von uns, der etatmäßige Kapitän der Eintracht war lange verletzt: Doch jetzt in diesem wichtigen Pokalspiel, in der 110. Minute in der Verlängerung war der Moment gekommen. Jones stand an der Seitenlinie parat. Minutenlang stimmten die Fans mit Standing Ovations den Moment der Einwechslung ein. Als er dann den ersten Schritt aufs Feld machte, bebte das Stadion unter Applaus und Jermaine-Jones-Rufen. Was für ein unbeschreibliches Gänsehautfeeling im Stadion. Doch wie es beim Fußball so ist: Dank an die Fans gibt es selten. Jones verlässt später den Verein und geht nach Schalke 04. Die Art und Weise seines Abgangs stieß viele Eintracht-Fans vor dem Kopf. Jones wurde in Frankfurt zum gefallenen Helden. Einen guten Abgang vom Verein, schaffen leider nur die wenigsten Spieler. Die Spieler, die am meisten von den Fans verehrt werden – wie Bernd Hölzenbein und Jürgen Grabowski – haben ihre Fußballkarriere in Frankfurt beendet. Viele Frankfurter Eigengewächse hat es in aller Welt verstreut. Einige haben später sogar ihre Fußballstiefel in Offenbach geschnürt. Dafür gibt es immer wieder Spieler von verhassten Vereinen, die in Frankfurt trotz anfänglicher Ablehnung, dann doch den Zuspruch der Fans gewonnen haben. Und dann gibt es die umstrittenen Spieler und Trainer, die durchaus Verdienste für den Verein vorzuweisen haben, aber die ungeschickt ihren Vereinswechsel eingefädelt haben. Fragt man allerdings die Spieler (selbst die nicht von den Fans geliebten), dann sagen die meisten sie hätten eine schöne Zeit bei der Eintracht gehabt.

 

32: Der 12. Mann. 17.03.2007, 1. BL. Saison 06/07, 26. Spieltag: SGE-Bayern 1:0  

Können Fans ein Spiel entscheiden? Bis zu diesem denkwürdigen Samstagnachmittag im März 2007 war ich mir bei dieser Frage nicht so sicher. Sicherlich gibt es den allgemein bekannten Heimvorteil, das heißt einen statistischen Überhang von Heimsiegen, der vermutlich durch das lautstarke Anfeuern des heimischen Publikums erzielt wird. Aber es kann natürlich auch sein, dass die Auswärtsmannschaft durch die anstrengende Anreise und fremde Atmosphäre des Stadions per se im Nachteil ist. Fragt man die Spieler, so sagen diese immer wieder, dass es auf dem Platz schon sau laut sei, aber das Treiben der Fans auf dem Platz professionell ausgeblendet werde. Selbst erlebt hatte ich bis zu diesem Samstag schon einige verunsicherte Torhüter, die bei jeder Gelegenheit ausgepfiffen, zunehmen verunsichert schienen. Aber wirklich Spielentscheidend schien es mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu sein.

An diesem 17. März 2007 spielte die Eintracht gegen Bayern München. Die Eintracht trudelte in Richtung Abstiegsränge und auch die Bayern hatten keine besonders gute Saison erwischt. Aber es waren trotzdem natürlich die übermächtigen Bayern, gegen den die Eintracht spielte und so ging ich mit einer Erwartung ins Stadion, die ich immer bei einem Spiel gegen die Bayern hatte: Es gibt wahrscheinlich heute nichts zu holen für uns. Das Stadion war, wie immer gegen die Bayern, rappelvoll und die Stimmung war auch wie immer: Jede kleine Vorstoß der Eintracht wurde euphorisch bejubelt und die Bayern bei Ballbesitz gnadenlos ausgepfiffen. Doch diesmal schien alles noch eine Spur extremer zu sein. Warum auch immer, war an diesem Nachmittag alles noch viel, viel lauter. Die gellenden Pfeifkonzerte gegen die Bayern waren unbeschreiblich. Spätestens nach einer Viertelstunde, nachdem van Bommel für eine Schwalbe beim vermeintlichen Foul von Kyrgiakos Gelb erhielt, wurde jede Aktion der Bayern niedergebrüllt und vor allem nieder gepfiffen. Wenn einige hundert Fans gleichzeitig pfeifen ist es schon sehr laut, aber diesmal schien es fast das ganze Stadion zu tun. Und diesmal zeigte es offensichtlich Wirkung auf dem Platz. Von Minute zu Minute wurden die Bayern unsicherer. Die Frankfurter legten zwar ihr Hauptaugenmerk auf die Defensive, aber die pomadig auftretenden Bayern waren mit Schweinsteiger, Makaay und Podolski auch ziemlich Ideenlos und vor allem konsterniert von der lautstarken Stimmung im Stadion. Mehr und mehr hatte ich den Eindruck, dass heute die Fans das Zünglein an der Waage sein könnten. Und tatsächlich drehte sich in der 2. Halbzeit das Spiel. Die Eintracht wurde immer mutiger und Ochs flankte schließlich in der 78. Minute von rechts in den Strafraum. Ich sah wie sich Christoph Preuß in die Luft schraubte und dann mit einem sensationellen Fallrückzieher den Ball an Kahn vorbei ins Tor zirkelte. Diese Sekunden werde ich nicht vergessen. Ich dachte mir, was macht er da? Das hat er noch nie gemacht. Und dann sah ich den Ball wie in einer festgefrorenen Actionszene langsam ins Tor fliegen. Unglaublich. Ein Traumtor unseres Defensivspielers Preuß, der das Tor seines Lebens machte. Der Jubel nach diesem grandiosen Treffer war genauso unbeschreiblich. Danach waren im Stadion alle Dämme gebrochen. Jede kleine Szene der Eintracht wurde gefeiert wie die Meisterschaft. Die Zeit lief nun den Bayern davon. Nikolov, der sich bei seinen Abschlägen viel Zeit ließ, wurde genauso bejubelt wie spielerische Pirouetten von Benny Köhler und hart erkämpfte Bälle von Naohiro Takahara.

Nach dem Schlusspfiff war mir klar: Fans können ein Spiel mitentscheiden. Gegnerische Mannschaften können vom berühmten „12. Mann“ extrem verunsichert werden und gleichzeitig die eigenen Spieler zu außergewöhnlichen Höchstleistungen angetrieben werden. Ins Stadion zu gehen macht offensichtlich noch mehr Sinn als gedacht. Es macht nicht nur Spaß, sondern es kann tatsächlich sogar Spiele beeinflussen.

 

33: Loyalität. 22.10.08, 1. BL. Saison 08/09, 4. Spieltag: SGE-KSC 2:1 

Wird Vereinstreue belohnt? Eine schwierige Frage. Sicherlich gibt es Spieler, die sich gegen den Wechsel zu einem prominenten Verein entschieden haben und dadurch vielleicht eine Karriere in der Nationalmannschaft verpasst haben. Diese Spieler werden dafür für ihre Vereinstreue von den Fans geliebt. Oftmals bleiben diese Spieler auch nach dem Karriereende ihrem Verein treu und bleiben dem Verein als Funktionär verbunden. Auf der anderen Seite gibt es Spieler, die alles für ihren Verein gegeben haben und trotzdem nicht dafür belohnt wurden. Da fällt mir z. B. die Eintracht-Karriere von Ioannis Amanatidis ein. Der eigentlich verletzte Kapitän Amanatidis wird nach einer Stunde im Spiel gegen den KSC eingewechselt und stochert den Ball in der 90.+1. Min. in Netz. Mit dieser Aktion zum 2:1 für die SGE rettete er damals wohl den Trainerjob von Friedhelm Funkel. An diesem 4. Spieltag schaffte die Eintracht, dank ihres aufopferungsvoll kämpfenden Kapitäns, ihren ersten Saisonsieg. Am Ende der durchwachsenen Saison landete die Eintracht auf dem 13. Tabellenplatz. Amanatidis fällt nach seiner Glanztat im Spiel gegen Karlsruhe mehrere Wochen aus. Trotzdem löst die Eintracht 2011 den Vertrag mit dem leidenschaftlichen Kämpfer Amanatidis auf. Warum sollten also die oftmals bei einem Vereinswechsel kritisierten Spieler ihrem Verein treu sein, wenn der Verein genauso wenig Loyalität zeigt? Selbst einige Eintracht-Fans sprachen sich damals im Eintracht-Forum dafür aus, dass der Vertrag mit Amanatidis nicht verlängert wird. Genau diese Fans sollten sich an ihre eigene Nase fassen, wenn ein Spieler auf eigenen Wunsch mal wieder die Eintracht verlässt. Nur selten ist Kritik daran angebracht, denn echte Loyalität gibt es leider meistens nicht. Weder von Seiten des Vereins noch von Seiten der Spieler.